Irgendwie weiß ich überhaupt nicht, wie ich anfangen soll. Hab zwar schon gepostet wegen Bauchlage und Monitorproblemen bei meinen "Nachfolgekindern", aber hab mich nicht getraut -all die Jahre nicht-, über meine süße Marlene zu schreiben. Aber die Seite hier hat mich schon immer berührt - vielleicht zu sehr - als daß ich hätte schreiben können. Es tut so weh! Wenn ich hier lese, werde ich traurig - so traurig, daß mein Mann fast sauer wird. (Was liest denn auch so ein Zeug). Weiß auch nicht, ob es richtig ist, aber hier versteht man vielleicht, daß ich das noch immer nicht verarbeitet habe und daß eben NICHT alles gut ist, nur weil ich jetzt zwei weitere Kinder in zweiter Ehe bekommen habe.
Meine Marlene war 5 Monate und 11 Tage alt. Ich hatte schon immer Angst vor dem plötzlichen Kindstod. Wie warscheinlich jede Mutter. Aber es ist passiert in einer Situation, in der ich nicht damit gerechnet habe. Ich ging aus dem Haus zum Einkaufen und zu einer Freundin. Es war spätvormittag. In dem Moment,als mein Kind starb, stand ich im Tengelmann an einem Regal für Babynahrung und spürte absolut NICHTS. Ich überlegte einfach nur, was meinem Kind schmecken könnte. Mein Mann war zuhause. Er hat mir später erzählt, er wäre auf der Toilette gewesen, Marlene war wach und lag im Laufstall. Er hat erzählt, er hätte sie noch ein bißchen quengeln hören. Insgesamt war er nicht länger als 5-7 Minuten nicht da. Als er zurück kam, lag sie auf dem Gesicht im Laufstall. Was dann kam? Verzweifelte Reanimation, Anruf bei der Rettungsleitstelle, Anruf auf meinem Handy. Ich saß da grad bei meiner Freundin im Laden - Panik, Hysterie.. seh sie noch da liegen, als ich heim komm. Bleich, in ihrer Windel, auf unserem Wohnzimmertisch, das Notfall-Team um sie herum. Ich hör noch die Notärztin sagen "...das ist nicht ihr Problem", ich hör mich noch immer wieder fragen "..was ist denn nur los?" Ich erinner mich an das untrügliche Wissen, daß es ZU SPÄT war.
Sie haben sie mit dem Hubschrauber abgeholt - da wußte schon jeder, daß sie tot ist, außer uns. Aber keiner hats gesagt (hab später gehört, daß macht man angeblich so - daß man es den Leuten erst im krankenhaus sagt, auch weil keine Toten im Krankenwagen oder Hubschrauber transportiert werden dürfen) wie auch immer, keiner hat es uns gesagt, aber wir wussten es.
Als sie uns zu ihr gebracht haben, lag sie in einem Raum, in dem medizinische Geräte aufbewahrt wurden. Auf einem Bettchen eingewickelt in ihre Decke. Nackt, bis auf ihre Windel. Wie schlafend. Ich musste sie einfach hochnehmen. Und es war so grausig endgültig, wie Ihr Kopf zu Seite gekippt ist. Nie wieder werde ich etwas erleben, daß mich so sehr verzweifelt hat, wie das. Wenn ich daran denke, wird der Schmerz lebendig, ich kann sie sehen, wie sie da liegt. Ich weiß noch, daß ich in einem irren Impuls nachgesehen habe, ob Ihre Windel voll ist. Ich habe Ihre Lider gehoben, um Ihre Augen noch einmal zu sehen. Es tut mir leid, ich weiß, das ist grausig - aber vielleicht kann hier jemand verstehen, WIE schlimm das war...
Über die Beerdigung und das alles mag ich gar nicht reden. Das zog an mir vorbei wie ein Film. Ich war in Watte gepackt. Fakt war, das Leid hat meinen Mann und mich nicht zusammen geschweißt, wie es so romantisch immer heißt. Nein, ich hab geredet und mir Beschäftigung und Arbeit gesucht. Mein Mann hat geschwiegen. Wir haben uns zwei Jahre danach getrennt.
Der Schmerz hat sich verändert. Aber er ist noch da. Jetzt bin ich zum zweiten Mal verheiratet und habe zwei kleine Kinder. Meine Tochter ist gerade zwei und mein Sohn knapp acht Monate. Beide hatten bzw. haben den Monitor. Ich liebe sie wie verrückt. Und sie sind so anders. Ich weiß genau, sie sind nicht meine Marlene. Aber ihr Leben und ihr Sein verdeckt langsam die Existenz von meiner Marlene. Manchmal weiß ich nicht, ob eine bestimmte Verhaltensweise von Marlene oder meinen andern beiden ist. Die Erinnerung wird blasser, weil neue dazu kommen.. Wie auch immer - warscheinlich liest das eh keiner. Egal, fakt ist, ich habe immer noch Angst. Und dazu kommt die Gewissheit, daß diese Angst nie aufhört, sondern sich nur verändert. Meine Tochter ist zwei. - Und jetzt habe ich nicht vor Augen, daß ich sie tot in ihrem Bettchen finde. Sondern ich habe vor Augen, daß ich nicht aufpasse und sie auf die Strasse rennt und PATSCH. Auto, Blut, Tod. Und irgendwie habe ich so ein Gefühl, daß das niemals aufhört, sondern, daß ich irgendwann, wenn sie zwanzig sind (werden), daheim im Bett liege und horche, ob sie auch gut von der Disco heimgekommen sind. Oder ob ich einen Anruf von der Polizei bekomme und...(Auto, Blut, Tod).
Mag sein, daß das alles reichlich kontraproduktiv ist für Eltern, die gerade eben ihr Baby verloren haben, aber ich kann nicht anders. Für mich ging es so weiter. Und es ist nicht schlecht. Ich kann nur sagen, für mich gibt es neue Liebe und neue Kinder. Aber meine Marlene ist immer noch tot und es wird mir für immer in der Seele weh tun, daß sie nie gespürt hat, was nasses Gras unter den Füßen bedeutet oder ein Kuß auf den Lippen. Daß sie einfach mit 5 Monaten und 11 Tagen in die Ewigkeit gehen musste, - ich sie NIE mehr sehen werde. Daß ihr Leben so kurz sein musste.
Und daß ich solche Angst um meine beiden andern Kinder habe. Dass ich immerzu nach sehe, ob mein Sohn noch atmet, wenn er Mittagsschlaf macht. Dass ich nachts aufwache und nicht mehr schlafen kann, weil ich so Angst um sie habe. Daß ich vor Liebe fast platze, wenn Sie zu zweit in ihren Hochstühlen sitzen sehe und Faxen machen. Ob es die Schweinegrippe, Meteoriteneinschläge, islamistische Angriffe im allgemeinen sind - egal. Die Angst treibt mich um. Und manchmal fühl ich mich damit so grenzenlos allein... |
Liebe Nata,
diese Ängste die Sie beschreiben, kenne ich ähnlich. Man hört auf, dem Leben einigermaßen zu vertrauen, eigentlich ist es jeden Tag ein Wunder, dass die Lieben überleben. Und die ganzen vernünftigen Sätze der andern helfen einem glatt gar nichts. Ständig diese latente trauer, die nur überdeckt wird aber nie wirklich weg ist. Das kommt vom tiefen Verlust. Ich hab nicht mal ein Kind verloren, bloß in früher Kindheit den geliebten Vater ziehen lassen müssen und ich hab über 30 Jahre gebraucht um halbwegs damit fertig zu werden (weil man danach alles Unverdaute mit ins Leben nimmt).
Es ist wohl gut, dass Sie anfangen, über Marlene zu schreiben. Es muss ein unheimlicher Druck sein, nicht offen trauern zu können. Ich vermute, wenn Sie Ihren Schmerz ran- und rauslassen, werden die Ängste mit der Zeit normaler. Nicht mehr so monströs. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie Menschen finden, die akzeptieren, dass so ein Schmerz nicht von einmal reden weggeht sondern die zuhören, jahrelang. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Ängste Sie nicht dominieren und dass Sie beides tragen können, den Alltag und die kleine Marlene als Teil Ihres Lebens. Es tut mir unendlich leid um diese kleinen süßen Menschen, wenn man bloß zaubern könnte. |
Liebe Nata,
deine Worte haben mich sehr sehr tief berührt.
Die Zeit rückt die Trauer etwas ins Abseits und doch wird sie unser ständiger Begleiter bleiben.
Genau wie unserer Schmerz und unendliche Sehnsucht nach unseren Himmelskindern.
Ach, es tut so gut, den Namen unserer unvergessenen Kinder niederzuschreiben oder laut auszusprechen.
Es ist wie eine Brücke zu schlagen vom hier zum dort.
Es ist uns doch nur eine so kurze Zeit mit unseren Himmelskindern geschenkt worden.
Ich bin danach so oft gefragt worden, ob nun wieder alles gut ist.
Nein, nichts ist wieder gut. Es ist doch keine Krankheit, die man ausheilen kann.
Auch nicht nach Jahren. Mein Kind ist tot!!!
Mein Leben ist danach ein ganz anderes geworden und nichts ist mehr wie vor dem!
Auch wenn ich wieder Lachen kann und mich am Leben wieder mit Freude beteiligen kann.
Und so wie auch bei dir, quälen mich die letzten Bilder, die sich tief ins Herz eingebrannt haben und ich nicht löschen kann.
Ich habe nicht auf mein Baby aufpassen können und als Mutter versagt.
Dieses Schuldgefühl trage ich auch noch nach Jahren mit mir, auch wenn mir die Vernunft etwas anderes erklären will.
Und ja, ich kenne diese aufreibenden Verlustängste um die anderen Kinder leider auch zu gut.
Wie auch anders, wir haben doch seit diesem Tag unser Urvertrauen verloren, oder?
Damit musste ich lernen zu leben.
Das wird sicher auch noch so sein, wenn ich meine Enkelkinder um mich haben werde, was aber hoffentlich noch ein bissel dauert.
Aber dafür wurde mir auch etwas ganz Besonderes geschenkt:
Jeden Tag zu leben, zu lieben und als etwas ganz besonderes zu sehen.
Den Blick auf all die Wunder des Lebens zu finden
und meine beiden Nachzügler, die ich über alles liebe, so dass es schon weh tut.
Ich bin weder religiös noch spirituell,
aber manchmal frage ich mich doch, ob jeder Mensch oder jedes Wesen eine Aufgabe hier auf Erden zu erfüllen hat.
Und diese Vorstellung tröstet mich dann etwas.
Jetzt ist es doch länger geworden.
Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich weiß, wie du dich fühlst.
traurige Grüße
Sabine mit Artur für immer im Herzen
(bis jetzt nur stille Mitleserin)
www.arturs-gedenkseite.de |
» Liebe Nata,
»
» deine Worte haben mich sehr sehr tief berührt.
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» Die Zeit rückt die Trauer etwas ins Abseits und doch wird sie unser
» ständiger Begleiter bleiben.
» Genau wie unserer Schmerz und unendliche Sehnsucht nach unseren
» Himmelskindern.
»
» Ach, es tut so gut, den Namen unserer unvergessenen Kinder
» niederzuschreiben oder laut auszusprechen.
» Es ist wie eine Brücke zu schlagen vom hier zum dort.
» Es ist uns doch nur eine so kurze Zeit mit unseren Himmelskindern geschenkt
» worden.
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» Ich bin danach so oft gefragt worden, ob nun wieder alles gut ist.
» Nein, nichts ist wieder gut. Es ist doch keine Krankheit, die man ausheilen
» kann.
» Auch nicht nach Jahren. Mein Kind ist tot!!!
» Mein Leben ist danach ein ganz anderes geworden und nichts ist mehr wie vor
» dem!
» Auch wenn ich wieder Lachen kann und mich am Leben wieder mit Freude
» beteiligen kann.
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» Und so wie auch bei dir, quälen mich die letzten Bilder, die sich tief ins
» Herz eingebrannt haben und ich nicht löschen kann.
» Ich habe nicht auf mein Baby aufpassen können und als Mutter versagt.
» Dieses Schuldgefühl trage ich auch noch nach Jahren mit mir, auch wenn mir
» die Vernunft etwas anderes erklären will.
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» Und ja, ich kenne diese aufreibenden Verlustängste um die anderen Kinder
» leider auch zu gut.
» Wie auch anders, wir haben doch seit diesem Tag unser Urvertrauen verloren,
» oder?
» Damit musste ich lernen zu leben.
» Das wird sicher auch noch so sein, wenn ich meine Enkelkinder um mich haben
» werde, was aber hoffentlich noch ein bissel dauert.
»
» Aber dafür wurde mir auch etwas ganz Besonderes geschenkt:
» Jeden Tag zu leben, zu lieben und als etwas ganz besonderes zu sehen.
» Den Blick auf all die Wunder des Lebens zu finden
» und meine beiden Nachzügler, die ich über alles liebe, so dass es schon weh
» tut.
»
» Ich bin weder religiös noch spirituell,
» aber manchmal frage ich mich doch, ob jeder Mensch oder jedes Wesen eine
» Aufgabe hier auf Erden zu erfüllen hat.
» Und diese Vorstellung tröstet mich dann etwas.
»
» Jetzt ist es doch länger geworden.
» Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich weiß, wie du dich fühlst.
»
»
» traurige Grüße
» Sabine mit Artur für immer im Herzen
» (bis jetzt nur stille Mitleserin)
»
» www.arturs-gedenkseite.de
Liebe Sabine,
und auch die anderen die mir geantwortet haben...
Ich bedanke mich von ganzem Herzen für die lieben Worte.
Habe gerade die Gedenkseite von Deinem kleinen Artur besucht und heule immer noch. Er war ein so süßes Baby! Es ist einfach nur schrecklich, daß sowas immer wieder passiert... Du hast mir mit Deinen Worten aus dem Herzen gesprochen und es tut gut, zu wissen, daß man verstanden wird.
Danke
Nata |