Hallo Corina, hallo Ihr Alle.
Leider hatte ich in den letzten Tagen keine Möglichkeit, das Forum zu öffnen, - die Seite war mir nicht zugänglich. Ich habe aber schon vor einigen Tagen die Nachricht von Corina und Volker gelesen.
Ich hatte schon Anfang Februar ein Gespräch, also keine 2 Monate, nachdem Runa gestorben ist. Ich hatte schon wackelige Knie auf der Fahrt dorthin. Ich kann mich erinnern, dass ich auch die Angst hatte, ich würde dort spüren, was mit ihr passiert ist. Könnte dem Rechtsmediziner in seinen Augen ablesen, welche Bilder er von meiner Tochter im Kopf hat. Diese Sorge war unbegründet. Ein ganz "normaler" Mensch, hellwach, jung und "klar".
Ich hatte glücklicherweise einige Tage vor dem Termin ein Gespräch mit einem befreundeten Arzt, der mir ganz sachlich von dem Ablauf einer Obduktion berichtet hat, auch anhand von Animationen (von verschiedenen Organen, nicht einer Obduktion) über seinen Laptop erklärt hat, was einen Rechtsmediziner interessiert, wonach er schauen muss. Das hat mir geholfen, ich war dann weniger an den Gedanken gebunden, was er wohl mit dem Körper meiner Tochter gemacht hat, denn eher damit, dass er versucht hat herauszufinden, ob ihr irgendetwas gefehlt hat.
Die Fahrt dorthin war spannend, auch, weil es plötzlich schlimm gestürmt und geschneit hat und diese Stimmung mich auf dem Weg dorthin begleitete.
Aber... ich wurde sehr freundlich begrüßt, an der Rezeption abgeholt und brauchte keine Sekunde zu warten.
Der Rechtsmediziner war sehr freundlich, sachlich, aufmerksam. Er hat mir meine Fragen - soweit ich sie an diesem Tag stellen konnte - alle beantwortet. Viele Dinge hat mir zwar schon der befreundete Arzt erklärt, dennoch wollte ich gerne wissen, ob zum Beispiel noch Gewebeproben und / oder Blutproben von Runa in der Rechtsmedizin lagern. Und ja, so war es.
Er sagte, dass auch Urinproben entnommen werden, und wenn irgend möglich, auch Blutproben (was aber nicht immer möglich sei - ich war zu aufgeregt, um nach den Gründen zu fragen).
Ich habe erfahren, dass es in diesem rechtsmedizinischen Institut üblich ist, die Gewebeproben ein halbes Jahr zu lagern und dann zu vernichten, was für mich ein Schock war. Ich wollte doch wenigstens gefragt werden, ob sie vernichtet werden dürfen!
Von anderen betroffenen Eltern, die in anderen Bundesländern leben als ich weiß ich inzwischen, das dies unterschiedlich gehandhabt wird. In manchen Instituten werden die Asservate (Gewebeproben) bis zu 5 Jahre aufbewahrt.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte und mir auch bis heute noch nicht ganz klar ist - es scheint eine Art "Katalog" zu geben, nach dem JEDER Rechtsmediziner vorgehen MUSS. Also eine relativ umfangreiche ganzkörperliche Untersuchung. Ich habe mich bisher noch nicht auf die Socken gemacht, um im Fall von Runa speziell danach zu fragen, inwieweit da "nur" der Fragenkatalog der Staatsanwaltschaft "abgearbeitet" wurde. Habe mich auch gescheut. Da hat ein ... natürlicher Schutzmechanismus bei mir eingesetzt, der mich (noch) nicht danach hat fragen lassen.
Wonach ich gefragt habe war, inwiefern bakteriologische, virologische Untersuchungen durchgeführt wurden. Bzw. auch auf Stoffwechseldefekte hin untersucht wurde. Ich habe darauf eine ziemlich allgemein gehaltene Antwort erhalten. Ich fürchte, dass diese Untersuchungen nur oberflächlich, also nur in begrenztem Rahmen durchgeführt werden - die Obduktion ist ja meist durch die Staatsanwaltschaft veranlasst. D.h., die Staatsanwaltschaft verfügt über Gelder, um in allererster Linie einmal Fremdverschulden auszuschließen, jedoch dadurch verbunden an gewisse Vorgaben, die einen Gesamteindruck zulassen. Um ein zuverlässiges Ergebnis von den bakteriologischen und virologischen Untersuchungen zu erhalten, müssten diese aber binnen 24-36 Stunden nach Todeseintritt erfolgen. (Liebe Rechtsmediziner, sollte ich mich hier unglücklich ausgedrückt haben oder etwas Falsches gesagt haben, antworten Sie doch einfach und verbessern Sie meine Aussage!)
Wonach auf jeden Fall geschaut wird ist, ob das Kind eine Ohrenentzündung hatte. Wenn ich mich recht entsinne, ist in über 80 % der SID - Fälle eine solche Entzündung feststellbar. Dennoch íst der Zusammenhang verwunderlich, denn an einer Ohrenentzündung an sich stirbt man eigentlich nicht.
Ich habe inzwischen von Fällen gehört, in denen einzelne Rechtsmediziner noch eigene umfangreichere Untersuchungen angestellt haben, nachdem bei dieser ersten Obduktion keine Todesursache festgestellt werden konnte.
Diese Untersuchungen werden aus anderen Töpfen bezahlt, soweit ich weiß ODER unternimmt der Rechtsmediziner "gratis", aus Interesse.
Ich habe damals auch Dinge angesprochen, die mit möglichen versäumten Präventionsmaßnahmen zu tun haben könnten. Ich wollte einfach WISSEN, ob ich den Tod meiner Tochter verschuldet habe. Und wenn dem nicht so sei, wollte ich zumindest die Möglichkeit sehen, weitere Untersuchungen anzustellen, um eventuell eine Antwort zu erhalten. Der Rechtsmediziner riet mir ab. Er meinte, manchmal "seien die Dinge nicht erklärbar".
Ich glaube, er dachte, dass ich mich aus ZU GROSSEN EMOTIONALEN GRÜNDEN darauf fixieren könnte, dass es einen medizinisch nachweisbaren Grund finden MUSS, um mit dem Tod meiner Tochter fertig zu werden.
Ich fühlte auch, dass er zwar sehr offen und authentisch mit mir sprach, aber vielleicht eine Unsicherheit da war, inwieweit er mich in seine Arbeit "einweihen" könnte, ich spürte da eine Zurückhaltung.
Nichtsdestotrotz - er erzählte mir, dass er jahrelang bei einer Forschungsgruppe zu SID mitgearbeitet hätte und es einfach Fälle gäbe, bei denen die Todesursache schlicht nicht feststellbar sei.
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Einige Tage nach dem Gespräch hatte ich mehrere Telefonate mit einigen Familienmitgliedern, die mir nach und nach steckten, dass mein Kind nicht das erste Kind in meiner Familie war, das innerhalb von 2 Wochen nach der Geburt verstorben sei. Es handelt sich um 6-8 Fälle innerhalb 4 Generationen. 1-2 sind nur ungenau wiedergegeben.
Ich wußte das nicht. Ich gehe davon aus, dass, hätte ich es gewußt und während der Schwangerschaft erwähnt, wären Runa und ich nie ohne Monitor nach Hause geschickt worden wären.
Als ich DAS dem Rechtsmediziner in einer Email mitteilte, änderte er seine Haltung. Er befürwortete eine Untersuchung durch einen Humangenetiker.
Inzwischen läuft die Untersuchung durch eine Humangenetikerin.
Jetzt hab ich ganz schön viel geschrieben, mir fällt immer noch mehr ein, aber ich mache hier dennoch einen Punkt. Vielleicht wird hierüber noch mehr gesprochen, vielleicht kommt hierüber ja einmal etwas mehr Licht ins "Dunkel". Es ist ja schon traurig herausfinden zu müssen, dass man nach so einem traurigen Erlebnis nicht automatisch mehr informiert wird über die eigenen Rechte, über weitere Möglichkeiten, dass man vielleicht sogar intensiver befragt wird über gesundheitliche Aspekte innerhalb der Familie (sowieso VORAB durch den Gynäkologen, aber auch nach einem SID - Fall in Kombination mit der Rechtsmedizin.) Ich halte das für sinnvoll.
Immerhin heißt es doch, dass Folgekinder ein erhöhtes Risiko haben. Ich sehe dieses Risiko auch für meine Kinder, die mich vielleicht irgendwann zur Oma machen und sich dann "einreihen" in eine Familientradition.
Dennoch. Ich denke nicht, dass ihr Angst haben müsst vor dem Gespräch. Es wird Euch eine neue Blickrichtung geben, ja. Und ich hoffe inständig, dass Ihr den Mut haben werdet, hinzusehen. Es gibt haufenweise unangenehme Wahrheiten im Leben, aber mir macht am meisten Angst, was ich nur erahnen kann, aber nicht weiß. Und sollte dann doch die Ungewißheit bleiben, weiß ich zumindest, dass ich danach gefragt habe, und mehr Information nicht herauszuholen war. Dann werde ich das hinnehmen.
Ganz liebe Grüße,
Alex |