Hallo, meine Liebe!
Das waren ja wieder saublöde Kommentare, die du kassiert hast. "Ich könnte das nicht" - woher wollen sie das wissen? Waren sie schonmal in der Situation? Vieles beruht natürlich auf Fassungslosigkeit, Unbeholfenheit und manchmal leider auch fehlender Sensibilität, aber natürlich hilft das uns nicht weiter. Was ich aber gelernt habe, das mir dabei weiterhilft, ist ganz ruhig für mich zu sprechen, und zwar jedes Mal, wenn mir etwas nicht gefällt. Man muss nicht ausfällig werden, man muss nicht böse werden, muss aber auch nicht freundlich bleiben. Aber als mir z.B. gesagt wurde: "Na sehen Sie, was sie sich jetzt alles dadurch ersparen werden" (auch so eine göttliche Meldung), da hab ich ganz ruhig geantwortet: "Wenn ich mir etwas ersparen hätte wollen, dann hätte ich das Kind nicht bekommen, und alles, was mit dem Baby an Arbeit kommt, hätte ich liebend gern auf mich genommen."
Meistens erntet man dann Stille...peinliches berührt sein. Aber das ist egal! Es ist egal, was die anderen denken, wie die anderen reagieren. Wichtig ist, dass du für dich gesprochen hast! Mir hat das immer sehr geholfen, und ich habe gemerkt, dass ich jedes Mal, wenn ich eine blöde Meldung erntete und dann aber für mich gesprochen habe, die Sache abhaken konnte. Die Worte taten mir nicht weh und spukten mir nicht mehr im Kopf herum. Wenn ich jedoch nichts gesagt habe, dann bin ich stundenlang dagelegen und es hat wehgetan.
Seitdem ich das gemerkt habe, gebe ich immer kontra. Es ist anfangs schwer, wird aber mit Übung immer leichter. Dann sagt man den Leuten ins Gesicht, dass man ja nicht von einer Begegnung auf der Straße auf den Allgemeinzustand schließen kann, und dass man das erst beurteilen kann, wenn man selbst in dieser Situation ist. Der Ton macht die Musik dabei.
Es geht um dich, nur um dich. Mit ein paar Worten kannst du dir Frieden bringen - vorausgesetzt, es funktioniert bei dir so wie bei mir, es ist ja jeder so anders in der Trauer. Auf jeden Fall ist das ein Ratschlag, den ich geben kann. Damit du dich nicht mehr über solche dummen Kommentare zu ärgern brauchst(obwohl ich die ja nur lesen muss und mir stellts alle Haare auf! ) .
Viele liebe Grüße,
KarinI
» Hallo Ihr Lieben,
» Ich wollte euch mal ein bisschen aus meinem Altag erzählen,
» Es ist ja noch sehr Frisch aber Trotzdem hat sich der alltag eingependelt
» und das ist auch gut so zumindest für mich und meine Familie. Aber.....
» jetzt kommts. Mir ist das nun schon häufiger aufgefallen. Ich komme
» irgendwohin ganz egal wann, und Unterhalte mich nett, Irgendwann kommt man
» unausweichlich zu der Frage hast du Kinder? Ja sage ich dann und erzähle
» was passiert ist. Dann stillschweigen entsetzt gucken der anderen. Und dann
» kommt: dafür kannst du aber ganz gut damit umgehen. Dann frage ich
» mich gehts noch? Was soll ich denn tun? Heulen? Schreine Wütend werden in
» aller öffentlichkeit? Erwartet man das Von Mir bzw. Uns allen? Oder sprüche
» wie "Ich könnte das ja nicht" Wenn man einkaufen geht... Ja einer
» muss es doch machen ich habe keinen Hol und bringdienst für alles. Ich Muss
» doch auch noch Leben, Und mein Sohn hat ein recht auf Eine Mutter die Voll
» im Leben steht er ist 6 Jahre ich kann mich nicht einigeln auch wenn ich es
» manchmal möchte. Muss man eigentlich angesehn bekommen was los ist? Soll
» ich vielleicht mit nem T-shirt rumrennen wo draufsteht Achtung mein Baby
» ist am 10 august gestorben ? Damit es alle wissen Nur weil man es mir nicht
» ansieht? Woher wollen die denn Wissen was Nachts oder Abends in mir vorgeht
» wenn ich nicht Schlafen kann und sich alles in Mir zusammenzieht?Darf ich
» Nicht mehr Lachen? Muss ich Nur noch Weinen? Bin ich Gar eine schlechte
» Mutter weil ich auch ab und zu angefangen habe Spaß zu Haben?
» Welches Recht nehmen sich Unsere Mitmenschen raus?Ich lebe meine Trauer
» halt anders aus, ich verarbeite sie in Gedichten und Texten schreibe sie
» auf um mir den schmerz "wegzuschreiben" anach geht es mir besser . Was
» mache ich den verkehrt? Was? Entschuldigt bitte meinen Missmut aber ich
» musste das unbedingt ganz dringend mal loswerden.
» Ich Hoffe das wir alle irgendwann wieder aufblicken können mit der
» Gewissheit das alles was wir tun instinktiv richtig ist und ich bin Froh
» das es menschen gibt die sich mit soetwas beschäftigen. Danke euch allen
» die ihr mich verstehen könnt.Danke |
Liebe MoPsimaus, liebe Karin, und liebe Menschen hier im Forum!
es ist sehr wohltuend, was und wie Ihr hier schreibt. Runas Tod ist nun bald 2 Jahre her und diese Art Bemerkungen meiner Mitmenschen haben sich gehäuft, teilweise haben sie sich gesteigert, - es gab durchaus auch Menschen, die mit meiner offenen, fröhlichen Art meinen Unterricht und mein Leben zu gestalten, so wenig umgehen konnten, die scheinbar regelrecht darauf gewartet haben, dass ich eines Tages vor deren Augen zusammenklappe, dass sie eines Tages nicht mehr gekommen sind. Was sie tatsächlich über mich gedacht haben, möchte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Oder Bekannte, die ein so festes Bild im Kopf verfolgen, wie "falsch" ich mit dem Tod meiner Tochter umgehe, dass ich mich schon beinahe bekämpft fühl(t)e. Und ja, Karin, auf den Mund gefallen bin ich wahrlich nicht. Du hast Recht. Es tut gut, mit ruhiger Stimme meine Position zu klären, und in mir gleichzeitig die Dankbarkeit zu fühlen, dass eben dieser Mensch NICHT nachvollziehen kann, was mir passiert ist, was in mir zurzeit vorgeht.
Dennoch "trennt sich die Streu vom Weizen", das eigene Leben kommt nicht nur aus dem Gleichgewicht wegen dem Tod des eigenen Kindes, sondern wegen dem Rattenschwanz, der noch kommt, einschließlich der nicht enden wollenden Kommentare.
Ich sehe große Defizite in unserer Gesellschaft, kompetent mit Betroffenen umzugehen. Und dabei ist es völlig egal, ob es sich um Freunde, Bekannte, Nachbarn, Ärzte, Polizei, KriPo, oder auch die Staatsanwaltschaft handelt.
Der Tod an sich ist etwas "Ausgestoßenes" aus unserer Gesellschaft. Ausser der Beerdigungszeremonie erleben wir praktisch keine Kultur des Miteinanderumgehens, ja, keine Toleranz (tolerare - aushalten, ertragen).
Ich habe meine Uroma noch kennengelernt. Sie ist beinahe 100 Jahre alt geworden. Wenn in meiner Familie Menschen gestorben sind, wurden sie meist von ihr gewaschen, umgekleidet, aufgebahrt, ein Raum wurde dekoriert, um sich von dem Toten verabschieden zu können. Das habe ich als Kind einmal mitbekommen. Sie hatte eine ungeheure Ausstrahlung, war eine sehr lebensbejahende Frau.
Heute ekelt man sich vor dem Tod, dem Sterben. Wir sehen schreckliche Geschichten über den Tod im Fernsehen, von unaufgeklärten Morden, lesen unqualifierte Artikel über den "plötzlichen Kindstod", wissen nicht mehr, was Angehörige brauchen, wie wir mit ihnen umgehen sollen, fragen sie auch nicht danach. Es entsteht eine unheimliche (auch innere) Stille.
Ich will auch sagen, dass ich auch überraschend schöne Momente und Begegnungen hatte. Da sagte Anfang des letzten Jahres einmal jemand zu mir: "Manche Türen werden erst durch Krankheit und Tod geöffnet."
Ich war zuerst irritiert, als ich das hörte. Heute verstehe ich, dass ich heute die bin, die so ist, wie sie ist, diese Art der Sensibilität hat, auch aufgrund meiner Geschichte. Ich begegne manchen Menschen, mit denen eine Begegnung unter anderen Umständen, auch ohne den Tod meiner Tochter ganz anders oder gar nicht passiert wäre, und bin sehr dankbar dafür.
Ich glaube, dass wir die Früchte unseres Handelns nicht immer sofort sehen können. Und dass diese klare Haltung, mit der wir unser Leben nach aussen leben, doch auch bei dem ein oder anderen etwas bewirkt. Manche Menschen brauchen einfach etwas Zeit, ihre Unbeholfenheit zu wandeln, darüber nachzudenken, nachzufühlen.
Ich glaube verstanden zu haben, dass es kaum eine schwierigere Aufgabe gibt, als daneben zu stehen, einfach da zu sein, wenn jemand anderes leidet.
Dennoch glaube ich auch, dass diese trockene, faktenorientierte, sogenannte sachliche Umgangsweise von Institutionen und der überemotionale Umgang von Mitmenschen keine gute Basis ist, wieder Normalität finden zu können.
Da steckt so viel Angst dahinter. Von allen Seiten.
Diese Angst kann ich nicht verübeln. Allein die Idee, dass sie selbst - oder aber vielleicht auch deren Kinder - eines Tages sterben werden, rüttelt ja heftigst an jedermans gefühlten und gelebten Lebenshaltung, als wären sie unsterblich.
Aber grenzüberschreitende Bemerkungen, die bevormundend und unsensibel sind schreien ja regelrecht nach einer Antwort.
Diese Antwort hätten sie damals von meiner Uroma erhalten. Sie hat auch die Gespräche geführt mit anderen und Familienmitgliedern, hat für eine neue Stabilität gesorgt, den Rücken frei gehalten. Wo sind die Weisen in den Familien? Wo sind sie in unserer Gesellschaft, die uns den Rücken frei halten? An wen könnten wir uns heute wenden, wenn nicht an GEPS, Selbsthilfegruppen und Trauerbegleiter?
Für mich ist das, was ich erlebt habe ein weiterer Anlass, zumindest meine Kinder stark zu machen, so gut es irgendwie geht. Die Angst vor der Angst nicht so groß werden zu lassen, dass sie sich eben nicht wieder und wieder auf die Flucht begeben.
Und es ist mir Anlass genug, darauf aufmerksam zu machen, dass es in unserer Gesellschaft Strukturen gibt, die isolieren, einsam machen, Kompetenzen beschneiden, ja, auch wenig kompetent sind.
Ich sehe da ein paar offene Türen :)
Zu Frau Jorch, der Kinderärztin meiner Kinder, manchen Ärzten, einem KriPobeamten, einem Rechtsmediziner, einigen Freunden, die ganz und gar unerwartet da waren und es noch immer sind, aber auch zu Euch!
Ganz liebe Grüße von Alex |