Ich habe in den letzten Stunden viel Zeit damit verbracht, in den Foren zu stöbern. Tief berührt bin ich von euren Erlebnissen. Meine Tochter Lucy ging am 03. September 2008, sie war gerade 16 Tage bei uns und hat in unser aller Leben tiefe Spuren hinterlassen. Aber ich denke, ich fange ganz von vorn an. Ich bin stolze Mama von 7 Kindern (Lucy eingeschlossen, schließlich ist sie auch weiterhin mein Kind), unser Ältester ist gerade 9 geworden, die anderen Mäuse sind 6,5,4,3 und 15 Monate, Lucy wäre heute 8 Wochen und 3 Tage. Bereits letztes Jahr an Weihnachten wusste ich um mein süßes, kleines Geheimnis, gelüftet habe ich es allerdings erst im März. Von Beginn an, verband uns beide ein ganz besonderes Band, ich war immer gern schwanger, aber so eine tiefe Liebe und Zuneigung habe ich noch nie während einer Schwangerschaft erlebt. Als ich dann im April, die Gewissheit hatte, dass es ein Mädchen wird, war unser aller Glück perfekt und mit Lucy war die Familienplanung abgeschlossen. Unser aller Leben war erfüllt und Lucy war meine große Liebe, meine Hoffnung, mein Glück, meine Zuversicht, meine Glückseligkeit. Während der ganzen Schwangerschaft habe ich Tagebuch geschrieben, habe viel mit ihr geredet und war glücklich, sie immer bei mir zu haben. Die Monate vergingen und jeden Zentimeter meines wachsenden Bauches habe ich stolz präsentiert. Ich habe Lucy immer gesagt, dass ich mit ihr die Welt aus den Angeln heben würde, wenn sie erst einmal da wäre.
Am 18. August 2008 hat Lucy sich entschlossen, unser Glück perfekt zu machen. Um 6.35 Uhr erblickte unser wunderbares Baby das Licht der Welt. Es war Liebe auf den ersten Blick und dieser Blick traf nicht nur meine Augen, sondern sie sah mir direkt ins Herz, in meine Seele. Sie war wunderschön, lange schwarze Haare, dunkle Augen, lange Arme und Beinchen, Fußzehen und Finger, ihr Köpfchen hatte eine perfekte Form, sie war perfekt und sie war die Liebe meines Lebens. Das bereits in der Schwangerschaft innig geknüpfte Band war umso stärker.
Die folgenden Tage waren unsere Erfüllung, deine Geschwister liebten dich heiß und innig und dein Papa hatte stets einen verträumten Blick, wenn er dich in die Arme schloß. Du hattest die Gabe, alle zu verzaubern. Selten herrschte eine solche Harmonie und Ruhe, du warst der Ruhepol und die Zuversicht. Wir waren eine Einheit und zu keinem deiner Geschwister hatte ich eine so innige Beziehung und Gott weiß, wiesehr ich deine Geschwister liebe.
Jeder Tag mit dir war ein Geschenk, jede Minute die Erfüllung, jeder Moment ein Wunder…
Es kam der 2. September und um 21.22 Uhr bist du aus deinem Dornröschenschlaf erwacht und hattest Hunger. Ich habe dich in aller Ruhe gestillt und diese Augenblicke waren für uns beide immer etwas ganz Besonderes. Ich habe dich gewickelt und lange Zeit strampeln lassen, wie haben deine Finger gezählt und deine Fußzehen. Es war soviel Liebe in der Luft…bis 23.34 Uhr warst du wach, solange wie noch nie zuvor und Mama war so müde…ich nahm dich also mit ins Bett, legte dich neben mich, stillte dich an der linken Brust, an meinem Herzen, und wir beide sind ganz nah beieinander gemeinsam eingeschlafen, mit der Gewissheit, dass Papa uns am nächsten Morgen wie immer um 5.30 Uhr weckt.
Der 3. September sollte der schrecklichste Tag in unserem Leben werden…Wie immer weckte mich dein Papa um 05.30 Uhr, damit wir genügend Zeit füreinander hatten, bevor die Schulkinder, die Kindergartenkinder und die Kleinen aufwachten. Bereits auf dem Weg nach unten beschlich mich ein unangenehmes Gefühl, die regtest dich nicht, auf der Hälfte der Treppe hast du dich sonst immer in meinen Armen geräkelt, nicht heute. Als ich in die Küche kam, das Licht anschaltete und dich ansah, konnten meine Augen sehen, aber mein Verstand nicht arbeiten und mein Herz vereiste…Deine Haut war aschfahl, deine Lippen blau und du wolltest die Augen nicht öffnen. Ich hielt dich im Arm und konnte nicht glauben, was meine Augen doch sahen…nichts als ein erstickter Laut wollte meiner Kehle entrinnen und alles, was ab hier geschah, sehe ich heute nur durch eine Art Nebelwand, als wäre ich gar nicht dabei gewesen. Kein Arzt konnte dir helfen und niemand war ohnmächtiger als dein Papa und ich. Wir hielten dich die ganze Zeit abwechselnd im Arm. Im deinem Tagebuch steht:
Heute ist dein 16. Tag und ich habe dich statt wie sonst in deinen wunderschönen weißen Bollerwagen in einen Sarg legen müssen. Ich ertrage den Gedanken nicht, dich allein in einer Kiste zusehen und dein Anblick zerreißt mir mein Herz…Ich dachte, du schläfst, so wie es jeden Morgen getan hast, wenn ich dich mit runter genommen habe, damit wir beide nach und nach unsere Männer losschicken und anschließend die eine Stunde, die uns bleibt genießen. Heute war alles anders…heute hast du dich nicht in meinem Arm geräckelt, du warst ganz still – zu still und schon auf den ersten Stufen die Treppe hinunter, wusste ich, dass da irgendetwas nicht stimmt. Als ich dich dann ansah und deine Gesichtfarbe sah, deine blauen, leicht geöffneten Lippen, brach ich in Panik aus, es war kein Schreien und kein Weinen, es war – ich weiß es nicht, ich wollte nur, dass du wieder wach wirst. Keiner war da, der dich ins Leben zurückholen konnte, nur verzweifelte Gesichter, nur Monotonie und unausgesprochene Worte lagen in der Luft. Dein Papa weinte, er weinte bittere Tränen und ließ dich nicht los. Wir ließen dich in deiner Decke eingewickelt, damit du nicht frierst, du bist doch so klein und hattest ohne Decke um dich immer sehr schnell kalte Finger und Füße.Aus deinem kleinen Gesicht war nun jede Farbe gewichen und was von da an um mich geschah, konnte so nicht stimmen, es konnte nicht Gottes Wille sein, dass du nach nur so kurzer Zeit wieder von uns gehen musst…Ärzte, Polizei, Staatsanwaltschaft, Bestatter – erst als sie kamen und dich holen wollten, war alle Hoffnung verloren. Ich hatte dich im Arm gehalten und geschaukelt, dich gewärmt, dir liebe Worte ins Ohr geflüstert, ich hatte nur gehofft und gebetet und geweint…Erst als ein kleiner weißer Sarg im Wohnzimmer stand, musste ich der Hoffnung Flügel geben. Ich habe den Mann in schwarz gebeten, dich in deiner Decke zu lassen, damit du nicht frierst, damit du dich nicht so allein fühlst, damit du weißt, dass keine Minute vergeht, in der meine Gedanken bei dir sind. Die Decke soll dir Trost schenken, weil ich dich allein hab gehen lassen. Ich habe dich in den Armen gewiegt, ich habe dich festgehalten, ich habe versucht, so gut es eben geht, Abschied zu nehmen und dann musste ich gehen…Ich wollte nicht sehen, wie man den Deckel schließt, ich wollte nicht sehen, wie sie dich wegtragen, ich habe nur das Auto gesehen, ein schwarzer Leichenwagen mit einem kleinen weißen Kindersarg darin, der viel zu groß für dich war. Jetzt sitze ich hier und bin wie gelähmt, ich weiß nicht weiter, ich bin unfähig etwas zu tun, sehe dich vor mir und warte, dass ich endlich aufwache, dieser furchtbare Alptraum vorüber ist und ich dich in deiner Decke die Treppe hinunter trage, dich in dein Stillkissen lege, Frühstück mache, deine Brüder zur Schule schicke und dann in aller Ruhe an die Brust lege, um dich zu stillen, dir liebe Worte ins Ohr flüstere, dich zu lieben und zu herzen, dich zu wickeln, deine Fußzehen zähle, deine langen, schmalen Finger und ich nach einer Stunde Babywellness in dein Körbchen lege, zuzusehen, wie du ruhig und friedlich einschläfst und dann voller Tatendrang und neuer Energie dank deines Lächelns und deiner Zufriedenheit den Tag in eine neue Runde starte. Von heute an ist alles anders – der 03. Sep. 2008 hat alles verändert…alles ist einfach nur noch schwarz und leer. Ich bin ab jetzt nicht mehr ich…eigentlich wärest du noch nicht einmal geboren, aber ich habe jede Minute mit dir genossen…ich liebe dich von ganzem Herzen und werde die Erinnerung an dich in meinem Herzen verwahren, ich will dankbar sein und ich will dich wieder haben…
All die Menschen um mich herum machen mich total verrückt, ich will nicht reden, ich will allein sein und trauern, ich will mich am liebsten alle Vorhänge zuziehen, mir eine Flasche Wein nehmen, mich hemmungslos besaufen und dann schlafen, vergessen, nie mehr aufwachen. Noch nie zuvor saß der Schmerz so tief, ich sehe dich in jedem Augenblick vor mir, nicht gesund und munter, sondern so wie ich dich heute gesehen habe…Gestern um diese Zeit habe ich dich gewogen, gestillt und war so stolz auf uns beide.
Die Zeit vergeht, aber keine Minute vergeht ohne den Gedanken an dich...Du bist so unerreichbar und ich würde dich so gern in meienen Armen sehen, deine Händchen und Füßchen berühren, über dein winziges Näschen streicheln. Die Sehnsucht nach dir zerfrisst mich... Könnte ich dir nur zeigen, wiesehr ich dich liebe und wie stolz und glücklich ich bin, ein so wunderbares Baby in meinen Armen gehalten zu haben.
Heute ist der 17. Oktober und das Leid und die Ohnmacht dieses Tages lassen mich nicht los. Du bist gegangen und hast die GLÜCKSELIGKEIT mit dir genommen. Ich funktioniere…ich bin deinen Geschwistern eine Mama, aber ich weine jeden Tag um dich. Ich träume rückwärts, du bist allgegenwärtig.
Jeden Abend besuche ich dein Grab, zünde dir eine Kerze an, damit es nachts nicht so dunkel ist. Auch im Küchenfenster steht eine Kerze, die wir anzünden, damit du vom Himmel aus immer weißt, wo wir sind. Viele kleine Rituale haben sich entwickelt im Lauf der vergangenen Wochen und die Trauer ist greifbar, grausam und der Verstand und das Herz haben den Verlust noch immer nicht verstanden.
Am 10. September 2008 wäre dein Entbindungstermin gewesen, am 10. September 2008 haben wir dich verabschiedet – für immer. Wir haben dich am eigentlichen Tag deiner Geburt in Gottes Hand zurückgegeben.
Das war nur ein kleiner Teil unserer Geschichte, eine Rundumschlag und ich könnte immer weiter schreiben, was ich auch gern tue, falls es jemand wissen will… |