Liebe Katharina,
es ist immer so, dass es an einem Tag *rauf* und am nächsten oder
übernächsten wieder *runter* geht, wie Du Bille im Forum geantwortet hast.
Bitte versuche ganz große Geduld aufzubringen - vielleicht ist dies die
allergrößte Geduldsübung, welche ein Mensch zu leisten hat: nämlich die
Trauer um ein kerngesundes Kind ins Leben als ein entsetzlich trauriges
Ereignis zu integrieren. Mir kam und kommt es noch immer in all den Jahren
wie eine Lebensaufgabe vor, welche wir Betroffenen zu bewältigen haben,
warum auch immer???
Du weißt ja, dass ich mich noch immer damit abquäle nach fast 48 Jahren.-
Eigentlich glaube ich, die Traurigkeit ist niemals zu überwinden, nur
lebbar zu machen in 1000den kleinen Schritten.
Es ist so total wichtig, gerade diese "Hühnerschritte" zu tun, Du weißt,
was ich damit meine, und nicht Riesenschritte zu erhoffen, geht nicht-
dies immer wieder im absoluten Vertrauen auf sich selbst - was so schwer
ist!!!!
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Ich habe im Laufe der Zeit meinen Humor wiedergefunden und breche auch
immer wieder bei allen möglichen Gelegenheiten in Tränen aus! Das geht von
jetzt auf gleich und ich weiß, dies alles werde ich nie überwinden... mein
Ulli hat es aber auch auf jeden Fall verdient!
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Am letzten Wochenende hat er mir zum x-ten Male ein Zeichen geschickt -
mit der Zeit werde ich sensibler dafür - er hat mir die Adresse von Donum
Vitae hier in Köln auf die Mattscheibe geschickt. Es könnte sich wie ein
Zufall anhören, ist aber keiner, genau wie Dein Angebot der Nachforschung
auf Sylt.-
Diese Einrichtung macht eigentlich Schwangerschaftsberatung und so ganz
nebenbei habe ich entdeckt, dass man dort auch Trauerbegleitung bekommt
und auch Eltern zuhört, welche ihre Babys an Sids verloren haben.-
Ich traute meinen Augen nicht, denn dieses Angebot ist mir noch nie
untergekommen und ich habe sofort gemailt und um eine Zuhörstunde gebeten.
Dies fehlt mir ja komplett, kein Mensch wollte etwas über das
Katastrophengeschehen hören. Bei Geps konnte ich es mit etwas
Erleichterung dann schreiben, aber
die Einträge enthalten nur einen Bruchteil dessen, was eigentlich
geschehen ist und mit welchen Gefühlen ich das Furchtbarste in meinem
ganzen Leben durchgemacht habe und welche grauenhaften Bilder mir immer
noch zusetzen!!!
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2 Tage später bekam ich Anfang März einen Termin und diese Antwortmail war
so herzlich geschrieben, dass ich mich nur dadurch schon aufgehoben und
sicher fühle.-
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Wenn ich neulich an dich geschrieben hatte, dass Dir irgendwann evtl. eine
Therapie helfen könnte, dann meinte ich damit, dass der Zeitpunkt dazu,
wenn überhaupt, natürlich nur und nur bei Dir selbst liegen kann.
Ich selbst habe einige Therpeuten konsultiert mit dem Ergebnis, dass jeder
einzelne ein großen Bogen um mein Verlustthema gemacht hat.
Heute befassen sich ja doch viele Therapeuten mit Sids und die Chance,
jemanden Kompetenten zu finden, ist viel größer als zu meiner Zeit! Selbst
wenn Dir auch von nicht selbst betroffenen Th. "nur" Strategien zur
Bewältigung und "Handhabung" der Traurigkeit angeboten werden, ist dies
doch auch auf irgendeine Weise hilfreich!
Liebe Katharina, ich denke oft an Dich und ich schreibe auch mal was zu
Sylt - habe allerdings erst einen Gedanken dazu und vertraue auf weiteres,
was vielleicht an weiterer Erinnerung von "unten heraufkommen" könnte?!
Alles Liebe und Gute
von ullis Mama |