Man Merkt ja gar nicht das dir soetwas passiert ist...... (Sonstiges)
Liebe MoPsimaus, liebe Karin, und liebe Menschen hier im Forum!
es ist sehr wohltuend, was und wie Ihr hier schreibt. Runas Tod ist nun bald 2 Jahre her und diese Art Bemerkungen meiner Mitmenschen haben sich gehäuft, teilweise haben sie sich gesteigert, - es gab durchaus auch Menschen, die mit meiner offenen, fröhlichen Art meinen Unterricht und mein Leben zu gestalten, so wenig umgehen konnten, die scheinbar regelrecht darauf gewartet haben, dass ich eines Tages vor deren Augen zusammenklappe, dass sie eines Tages nicht mehr gekommen sind. Was sie tatsächlich über mich gedacht haben, möchte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Oder Bekannte, die ein so festes Bild im Kopf verfolgen, wie "falsch" ich mit dem Tod meiner Tochter umgehe, dass ich mich schon beinahe bekämpft fühl(t)e. Und ja, Karin, auf den Mund gefallen bin ich wahrlich nicht. Du hast Recht. Es tut gut, mit ruhiger Stimme meine Position zu klären, und in mir gleichzeitig die Dankbarkeit zu fühlen, dass eben dieser Mensch NICHT nachvollziehen kann, was mir passiert ist, was in mir zurzeit vorgeht.
Dennoch "trennt sich die Streu vom Weizen", das eigene Leben kommt nicht nur aus dem Gleichgewicht wegen dem Tod des eigenen Kindes, sondern wegen dem Rattenschwanz, der noch kommt, einschließlich der nicht enden wollenden Kommentare.
Ich sehe große Defizite in unserer Gesellschaft, kompetent mit Betroffenen umzugehen. Und dabei ist es völlig egal, ob es sich um Freunde, Bekannte, Nachbarn, Ärzte, Polizei, KriPo, oder auch die Staatsanwaltschaft handelt.
Der Tod an sich ist etwas "Ausgestoßenes" aus unserer Gesellschaft. Ausser der Beerdigungszeremonie erleben wir praktisch keine Kultur des Miteinanderumgehens, ja, keine Toleranz (tolerare - aushalten, ertragen).
Ich habe meine Uroma noch kennengelernt. Sie ist beinahe 100 Jahre alt geworden. Wenn in meiner Familie Menschen gestorben sind, wurden sie meist von ihr gewaschen, umgekleidet, aufgebahrt, ein Raum wurde dekoriert, um sich von dem Toten verabschieden zu können. Das habe ich als Kind einmal mitbekommen. Sie hatte eine ungeheure Ausstrahlung, war eine sehr lebensbejahende Frau.
Heute ekelt man sich vor dem Tod, dem Sterben. Wir sehen schreckliche Geschichten über den Tod im Fernsehen, von unaufgeklärten Morden, lesen unqualifierte Artikel über den "plötzlichen Kindstod", wissen nicht mehr, was Angehörige brauchen, wie wir mit ihnen umgehen sollen, fragen sie auch nicht danach. Es entsteht eine unheimliche (auch innere) Stille.
Ich will auch sagen, dass ich auch überraschend schöne Momente und Begegnungen hatte. Da sagte Anfang des letzten Jahres einmal jemand zu mir: "Manche Türen werden erst durch Krankheit und Tod geöffnet."
Ich war zuerst irritiert, als ich das hörte. Heute verstehe ich, dass ich heute die bin, die so ist, wie sie ist, diese Art der Sensibilität hat, auch aufgrund meiner Geschichte. Ich begegne manchen Menschen, mit denen eine Begegnung unter anderen Umständen, auch ohne den Tod meiner Tochter ganz anders oder gar nicht passiert wäre, und bin sehr dankbar dafür.
Ich glaube, dass wir die Früchte unseres Handelns nicht immer sofort sehen können. Und dass diese klare Haltung, mit der wir unser Leben nach aussen leben, doch auch bei dem ein oder anderen etwas bewirkt. Manche Menschen brauchen einfach etwas Zeit, ihre Unbeholfenheit zu wandeln, darüber nachzudenken, nachzufühlen.
Ich glaube verstanden zu haben, dass es kaum eine schwierigere Aufgabe gibt, als daneben zu stehen, einfach da zu sein, wenn jemand anderes leidet.
Dennoch glaube ich auch, dass diese trockene, faktenorientierte, sogenannte sachliche Umgangsweise von Institutionen und der überemotionale Umgang von Mitmenschen keine gute Basis ist, wieder Normalität finden zu können.
Da steckt so viel Angst dahinter. Von allen Seiten.
Diese Angst kann ich nicht verübeln. Allein die Idee, dass sie selbst - oder aber vielleicht auch deren Kinder - eines Tages sterben werden, rüttelt ja heftigst an jedermans gefühlten und gelebten Lebenshaltung, als wären sie unsterblich.
Aber grenzüberschreitende Bemerkungen, die bevormundend und unsensibel sind schreien ja regelrecht nach einer Antwort.
Diese Antwort hätten sie damals von meiner Uroma erhalten. Sie hat auch die Gespräche geführt mit anderen und Familienmitgliedern, hat für eine neue Stabilität gesorgt, den Rücken frei gehalten. Wo sind die Weisen in den Familien? Wo sind sie in unserer Gesellschaft, die uns den Rücken frei halten? An wen könnten wir uns heute wenden, wenn nicht an GEPS, Selbsthilfegruppen und Trauerbegleiter?
Für mich ist das, was ich erlebt habe ein weiterer Anlass, zumindest meine Kinder stark zu machen, so gut es irgendwie geht. Die Angst vor der Angst nicht so groß werden zu lassen, dass sie sich eben nicht wieder und wieder auf die Flucht begeben.
Und es ist mir Anlass genug, darauf aufmerksam zu machen, dass es in unserer Gesellschaft Strukturen gibt, die isolieren, einsam machen, Kompetenzen beschneiden, ja, auch wenig kompetent sind.
Ich sehe da ein paar offene Türen :)
Zu Frau Jorch, der Kinderärztin meiner Kinder, manchen Ärzten, einem KriPobeamten, einem Rechtsmediziner, einigen Freunden, die ganz und gar unerwartet da waren und es noch immer sind, aber auch zu Euch!
Ganz liebe Grüße von Alex
gesamter Gesprächsfaden:

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