Tod unserer Tochter Louisa am 26.01.2006 (Trauer)
In dem Augenblick, wo Der Immer Wartet sich bückt und das Kind hochhebt, da lächelt ihn das Kind an. Ich glaube fast, das Kind erkennt ihn wieder, obwohl es ihn niemals vorher gesehen hat. Das ist so, als ob sich das Kind nun doch ganz tief zurückerinnert, wie es früher in die Arme genommen worden ist. Es denkt daran, dass schon einmal jemand da war, vor langer, langer Zeit, der es sehr lieb gehabt hat, der es in den Arm genommen hat, gestreichelt und ganz sanft getragen hat. Das Kind war schon einmal an einem Ort, wo es singen und spielen konnte und ganz ruhig schlafen, wenn es müde war.
Ich glaube, du verstehst, wo das war. Das war zu Hause bei seinen Eltern, bei denen es gewohnt hat, bis es den Schritt zur Seite gemacht hat. Daheim bei dem Kind ist jetzt alles ganz traurig, da weinen sie alle, und keiner kann sie trösten. Und deswegen muss ich dir von dem erzählen, Der Immer Wartet.
Er nimmt das Kind ganz behutsam in seine Arme und trägt es. Dabei schläft das Kind ein, da bin ich ganz sicher- Es schläft und träumt davon, wie es ins Licht getragen und in die warme Sonne gelegt wird, auf die Sommerwiese. Und wenn es aufwacht, dann ist das alles wirklich so. Denn genau das ist ja passiert.
Der Immer Wartet sitzt neben dem Kind. Er ist immer wach. Und das macht er, weil er auf alle wartet, die kommen. Darum steht er ja da, wo das Dunkle Tal aufhört und die Sommerwiese anfängt. Aber wenn ein kleines Kind zum ersten Mal im Gras auf der Sommerwiese schläft, setzt er sich direkt neben das Kind und passt auf, obwohl es auf der Wiese gar nichts Gefährliches gibt.
Wenn das Kind aufwacht, sieht er es an und lächelt. Er streichelt mit seinen Händen das Gesicht des Kindes, und seine Hände sind warm und leicht wie die Flügel eines Schmetterlings.
Da sieht das Kind, dass Der Immer Wartet weint. Große Tränen tropfen aus seinen Augen. Das Kind erinnert sich nicht mehr, warum man weint, denn auf der Sommerwiese gibt es keinen, der weint. Da gibt es nur Spiel und Gesang und Freude. Aber jetzt weint das Kind zusammen mit dem, der immer wartet. Es weint und weiß selber nicht, warum.
Du und ich, wir wissen, warum das Kind weint. Es weint, weil es nicht mehr da ist, wo es früher immer war: daheim bei Mama und Papa, bei Oma und Opa. Aber das weiß das Kind ja nicht mehr. Nur wir weinen, wenn ein anderer einen Schritt zur Seite gemacht hat und gestorben ist. Wer durch das Dunkle Tal gegangen ist, hat alles Weinen und alle Schatten hinter sich gelassen.
Aber Der Immer Wartet weiß noch, wie es früher war. Er kennt uns, auch wenn wir noch am anderen Ende des dunklen Tales wohnen. Darum weint er zusammen mit uns. Und er trocknet die Tränen des Kindes und macht, dass das Kind wieder lächelt.
Jetzt ist es soweit, dass der dritte Engel kommt. Der Immer Wartet ruft diesen Engel niemals herbei. Das braucht er nicht, weil der Engel immer von selber kommt, wenn Der Immer Wartet weint. Dann kommt der Engel und schmiegt sich ganz eng an den, Der Immer Wartet, so nah, dass die Tränen auf den Engel niedertropfen, ja so nah, dass der Engel ganz bestimmt hören kann, wie dem, Der Immer Wartet, das Herz schlägt.
Dieser Engel heißt Engel des Trostes.
Der Immer Wartet redet niemals mit dem Engel des Trostes. Aber sobald der Engel des Trostes ganz nah bei ihm war und seine Tränen und seinen Herzschlag gespürt hat, geht der Engel des Trostes weiter. Er geht so sanft und so leise, dass du ihn fast nicht hören kannst. Aber wenn er bei d i r war, hörst du nach einer Weile auf zu weinen. Und vielleicht hörst du dann eines Tages, dass der Engel der Hoffnung für D i c h spielt.
Nachdem der Engel des Trostes gegangen ist – und ich glaube, du weißt jetzt, wo er hingeht – sitzt Der Immer Wartet noch lange bei dem Kind.
Und ich glaube, das Kind krabbelt in seinen Schoß. Und vielleicht schläft es ein bisschen und träumt noch ein wenig, bevor es ganz aufwacht.
Der Immer Wartet sieht das Kind an.
„Du bist.Louisa.“, sagt er
Da erinnert sich Louisa an ihren Namen. Sie richtet sich auf und nimmt den, der immer wartet, bei der Hand.
„Und du bist Jesus“, sagt sie laut. Und dann lässt sie seine Hand los und springt barfuss und glücklich hinaus auf die Sommerwiese.>>
Herzliche Grüße aus Münster
Hildegard Jorch
---
Präsidentin der GEPS- Deutschland e.V.
Vorsitzende der GEPS-NRW e.V.
gesamter Gesprächsfaden:

![in Tabellen-Ansicht öffnen [Board]](img/board_d.gif)
![in Mix-Ansicht öffnen [Mix]](img/mix_d.gif)













